Abb. oben: Blick in die Ausstellung


time line

Pandemie-Zeit, bleierne Zeit: Es fühlt sich manchmal an, als ob die JETZT-Zeit Pause macht; Menschen verharren in einer Position der eingeschränkten Handlungs- und Planungsmöglichkeiten.

So mag es geschehen, dass die Gedanken, statt sich mit einem ganz infrage gestellten zukünftigen Leben zu beschäftigen, statt Pläne zu machen für ein MORGEN, zurückschweifen in ein GESTERN oder VORGESTERN, und versuchen, vergangenen Lebensepisoden nachzuspüren.

Meine Arbeiten widmen sich dem Thema „Erinnerungen“. Der Installation time line liegen alte (Familien-)Fotos zugrunde, die zum Ausgangspunkt eines assoziativen bildnerischen Arbeitsprozesses werden, bei dem malerische, zeichnerische sowie collagierende Techniken zum Einsatz kommen. Die Anordnung der kleinformatigen Mischtechniken folgt dabei einem imaginären Zeitpfeil.

Erinnerung ist keine feste Größe, sondern veränderlich. Sie entsteht immer wieder neu. Erinnerungen gleichen manchmal Traumbildern, sie rufen Gefühlszustände hervor, sie spiegeln Erlebtes und Gedachtes wider. Die Erinnerung kann präzise oder unscharf sein, sie kann verzerrt, lückenhaft oder vage sein, sie kann uns sogar täuschen. Sie liegt verborgen unter vielen Ereignisschichten und kann mit plötzlicher Wucht an die Oberfläche geraten. Erinnerung ist nie deckungsgleich mit der Realität, aber sie kann eigene Realitäten erschaffen. Sie kann lebendig oder blass sein, isoliert auftreten oder sich mit neuen Erlebnissen und Wahrnehmungen verbinden.

Erinnerung ist das magische Band, das das „Früher“ mit dem „Jetzt“ verbindet. Erinnerung wirkt ein auf unser Zeitgefühl, sie lässt die Zeit atmen. Als ob sie sich zusammenzöge und wieder ausdehnte, einatmete und ausatmete, schrumpfen die zeitlichen Distanzen und lange zurückliegende Ereignisse erscheinen plötzlich ganz nah.

Meine Bilder dieser Serie waren nicht „vorhersehbar“ in klassischem Sinne, d.h. die Arbeiten waren ergebnisoffen, sie folgten keinem explizit festgelegten, unveränderlichen Bildkonzept, sondern jeder Arbeitsschritt initiierte einen neuen, nachfolgenden. Die Vergabe des Bildtitels erfolgte stets als allerletzter Schritt.

 

Gabriele Eberspächer, im April 2021

 

 

time line - Bilder von Gabriele Eberspächer

Durchblicke - Skulpturen von Susanne Pöhlmann

 

Doppelausstellung im Club Voltaire, 03. - 24. April 2021

 

Luag'amôl - Klangkulisse von Matheus Romanetto

https://soundcloud.com/capotheus/luagamol

 

Club Voltaire e.V., Haaggasse 26 B, 72070 Tübingen


Ausstellungsbericht im Schwäbischen Tagblatt vom 15. April 2021: